„Zwischen 20% und 50% aller wichtigen Entscheidungen werden nicht im Sinne der Organisation getroffen, sondern dienen primär dazu, dass sich Entscheider:innen absichern können, sollte etwas schief gehen. In mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen sind wir diesem Phänomen nachgegangen und haben wirksame Lösungswege für unsere Kund:innen entwickelt.„
Covering Your Ass – Schäden einer Absicherungskultur und wie man eine bessere Risikokultur in Organisationen etabliert
Ob in einem privaten Großunternehmen oder in einer öffentlichen Verwaltung: Führungskräfte und Manager:innen müssen ständig Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf Kolleg:innen, die Organisation und natürlich auch auf die eigene Person haben. Idealerweise entscheiden sie sich für die Option, die für die Organisation am besten ist. Doch dies geschieht bei weitem nicht immer. Häufig entscheiden sie sich für die aus Sicht der Organisation schlechtere Alternative, um sich selbst zu schützen. Diese Alternative kann bequemer sein, weniger Gegenwind mit sich bringen oder die Möglichkeit bieten, dass jemand anderes die Verantwortung trägt, falls etwas schiefgeht.
Um die Häufigkeit und Gründe für diese sogenannten defensiven Entscheidungen zu erforschen, befragten wir in einer anonymen Studie 950 Führungskräfte aller Hierarchiestufen in der öffentlichen Verwaltung. Rund 80 Prozent der Befragten gaben an, dass mindestens eine der zehn wichtigsten Entscheidungen der vergangenen zwölf Monate defensiv war. Im Durchschnitt waren etwa 25 Prozent der wichtigsten Entscheidungen nicht im besten Interesse der Organisation. Gleichzeitig zeigen erste Ergebnisse aus DAX-Unternehmen, dass hier defensive Entscheidungen noch deutlich weiterverbreitet sind.
„Eine Absicherungskultur ist in vielen Organisationen weit verbreitet. Es gibt sie in der öffentlichen Verwaltung, in der privaten Wirtschaft genauso wie in Krankenhäusern. Selbst in den obersten Führungsebenen trifft man Entscheider:innen, bei denen viele der wichtigsten Entscheidungen nicht primär im besten Interesse der Organisation sind, sondern zuerst dazu dienen, sich selbst zu schützen. In unserer Studie konnten wir darüber hinaus zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Arbeitskultur im Team und der Häufigkeit von defensiven Entscheidungen gibt“, sagt Florian Artinger, Mitgründer der Simply Rational GmbH. So wurden die Entscheidungsträger:innen auch danach gefragt, wie sie die Kommunikations- und Fehlerkultur in ihrem Team empfinden. Wer die Fehlerkultur als schlecht bewertete, traf deutlich häufiger defensive Entscheidungen als jemand, der die Fehlerkultur als gut empfand.
Unter einer positiven Fehlerkultur verstehen wir die Akzeptanz, dass die beste Lösung häufig nicht ist, Risiken zu meiden und sich abzusichern. Stattdessen sollte ein positiver Umgang mit Risiken gefördert werden. Das heißt auch, dass Misserfolge nicht stigmatisiert werden und man sich auch bei Fehlern gegenseitig unterstützt. Ebenfalls haben wir einen Zusammenhang mit der Kommunikationskultur festgestellt. In einer positiven Kommunikationskultur haben alle Mitarbeiter:innen eines Teams die Möglichkeit über Ideen, Meinungen oder Bedenken zu sprechen, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Entscheidungsträger:innen, die angaben, in einem Team mit guter Kommunikationskultur zu arbeiten, trafen weniger defensive Entscheidungen.
„Eine Absicherungskultur verursacht nicht nur erhebliche Mehrkosten. Sie hat auch negative Auswirkung auf die Innovationskraft, Mitarbeiterführung oder Kundenzufriedenheit. Damit Manager:innen wieder die für die Organisation besten Entscheidungen treffen, braucht es eine Fehlerkultur statt einer Absicherungskultur“, sagt Gerd Gigerenzer, Mitautor der Studie und Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, seit 2020 an der Universität Potsdam.